Sonntag, 15. April 2007

C.F.Wurm: Memoria an Amandus Abendroth

C. F. Wurms Memoria

an den Bürgermeister Amandus August Abendroth (1852)

Reinhard Pohl

1.1 Einleitung

Christian Friedrich Wurms Erinnerungsschrift an Amandus August Abendroth liegt hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vor.

Der Text, zahlreiche seiner Anmerkungen sowie die Kommentare des Verfassers innerhalb der Anmerkungen sind ursprünglich auf Latein verfasst. Hinzu kommen als weitere Sprachen Französisch, Englisch und Deutsch in den angefügten Originalzitaten wie z.B. den Briefen, wovon der fremdsprachige Anteil ebenfalls übersetzt wurde, der deutsche in der Schreibweise von 1852 erhalten blieb. Die Übersetzungen aus dem Lateinischen folgen besonders im Memoriatext Wurms komplexer Syntax relativ eng, um den Eindruck und die formale Aussagekraft, die dieser Gattung eigen ist, möglichst nicht zu verwässern.

Die Frage nach dem historischen Wert dieser Erinnerungsschrift kann nur im Blick auf mehrere Ebenen ihrer Textstruktur und auf den historischen Kontextes ihrer Entstehung beantwortet werden. Die eigentliche Vita Abendroths erscheint mit zwanzig Seiten lateinischem Text als sehr kurz. In ihr reihen sich biographisch aufsteigend Daten und Taten, Charakteristisches, Anekdoten, die Analyse des politischen Hintergrundes und dessen Bewertung durch C. F. Wurm in fünf Kapiteln aneinander. Ohne eine nähere Betrachtung der formalen Aussage solcher tradierten Form der Nekrologe auf verdiente Hamburger Politiker lässt sich diese posthume Würdigung Abendroths nur oberflächlich erfassen oder gerade noch, wie oft geschehen, punktuell zitieren.

Waren vorher – wir ziehen in der Folge vor allem Johannis Gurlitts Nekrolog auf Abendroths Zeitgenossen Hermann Doormann (1826) als epochales Exemplar dieser Gattung für einen Vergleich heran – Anmerkungen nur spärlich gesät, Zitate oder Reden zwar eingefügt, jedoch eher Schmuck der primär philologischen Laudatio, so revolutioniert Christian Friedrich Wurm als Historiker dieses Genre, indem er es einerseits zwar philologisch und rhetorisch meisterhaft fortsetzte, andererseits aber mit einem doppelt so umfangreichen Corpus an Belegen dokumentarisch unterfütterte. Der Leser sollte nicht mehr allein erinnert, belehrt oder erbaut werden, wenn ihm das Porträt einer verdienten Hamburger historischen Persönlichkeit vorgehalten wurde. Wurms Anliegen war es vielmehr, historische Zusammenhänge , die er zum Teil neu recherchiert hatte, gewissermaßen zu reaktiveren, um paradoxerweise gerade in Abendroth, der zuvor als „Maire“ von 1811-1814 die Amtstracht des Feindes der Hamburger Verfassung und Freiheit, seines „auguste maître“ Napoleon, getragen hatte, den Reformer wieder zu entdecken, an dessen Wirken und zukunftsweisenden Ideen sich Hamburg um 1850 neu orientieren könnte.

Wenn Leben und Werk Christian Friedrich Wurms im folgenden etappenweise nachgezeichnet werden, dann nicht um der Vollständigkeit seines umfangreichen historischen und politischen Engagements willen, das seine Schriften bekunden, sondern um den Rahmen aufzuzeigen, der einem Verständnis der Memoria Abendroths direkt dient.

1.2 Der Autor in seiner Zeit

Als Christian Friedrich, eigentlich Friderich Wurm - geb. 1803 in Blaubeuren, gestorben in Hamburg 1859 - im Jahr 1852 die Gedenkschrift auf den Hamburger Bürgermeister Abendroth zu dessen zehntem Todesjahr abfasste, tat er dies in seiner der Öffentlichkeit wohlbekannten Funktion als Professor am Akademischen Gymnasium für das Fach Geschichte. [1]

Die Institution des Akademischen Gymnasiums schloss an das Abitur der Gelehrtenschule des Johanneums an und diente der Vorbereitung auf ein Universitätsstudium, das gegebenenfalls anderen Ortes aufgenommen werden musste, da Hamburg keine Universität besaß. Nach verschiedenen Reformansätzen wurde das Akademische Gymnasium 1883 nach 270-jährigem Bestehen aufgelöst, nicht zuletzt - einem profilierten naturwissenschaftlichen Zusatzangebot zum Trotz – wegen chronischen Schülermangels.

In seiner Antrittsrede vom 22.Oktober 1833 hatte der in Tübingen promovierte Philosoph und Theologe über “De praeceptis, quae Cicero in libris de Republica exposuit, ne nostra quidem aetate spernendis“ [„Über Regeln, die Cicero in seinen Büchern über den Staat darlegte, die nicht einmal in unserer Zeit zu verachten sind“] gesprochen. Teile von Ciceros verloren geglaubter fundamentaler Staatsschrift „De re publica“ waren erst 1819 wiedergefunden worden. In ihr setzt sich Cicero mit der Frage nach der besten Verfassung, nach dem vollkommenen Staat, dem Wert und Wesen der Gerechtigkeit und den Charakteristika des besten Staatsmannes auseinander. Genau dies wurden künftige Leitmotive der historischen und politischen Tätigkeit C. F. Wurms. Schon in diesem programmatischen Rückgriff auf Ciceros Staatstheorie verband Wurm seine eigene Grundsatzforschung mit einem politisch engagierten Ansatz, der auf die entsprechende Entwicklung in seiner Gegenwart einzuwirken suchte.

Unter den Hamburger Historikern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt Wurm ein Rang von nationaler und sogar europäischer Dimension zu, den die Forschung bisher nicht angemessen gewürdigt hat. [2] Mit fast hundert Publikationen von 1833 bis 1859 hat er zu den Themenbereichen Erziehung, Handelspolitik, Völkerrecht, internationale Politik, zur schleswig-holsteinischen Frage und zu aktuellen Problemen Hamburgs und besonders seiner Verfassung maßgebliche Beiträge vorgelegt. [3]

Wurms lateinische Diskursfähigkeit entsprach dem akademischen Standard, indem er in humanistischer Tradition gezielt an Ciceros Prosastil als Modell anknüpfte. Zum rhetorischen „genus demonstrativum“ gemäß Ciceros Terminologie in den „Rhetorica ad Herennium“ gehören Wurms Totenreden bzw. seine kurzen journalistischen Nachrufe. Das erste Beispiel dafür sind die „Worte der Erinnerung an Friedrich Johann Lorenz Meyer“ (1844), den Präses des Hamburger Domkapitels und jahrzehntelangen Sekretär der Patriotischen Gesellschaft, dessen Hingabe an das Gemeinwesen Wurm würdigt und zu dessen Nacheiferung er auffordert. [4] Es folgen Grabreden auf den Maler Jacob Gensler (1845) und den mit Wurm verwandten Erwin Speckter (1846) sowie schließlich 1852 die Erinnerungsschrift an Abendroth, den er persönlich als einen der vier Hamburger Bürgermeister (1831-1842) erlebt hatte. Einen letzten kurzen

Nekrolog schrieb C. F. Wurm 1855 auf den württembergischen Nationalökonomen Johannes Fallati.

Einzig die Schrift auf Abendroth verfasste Wurm in lateinischer Sprache, wie es seine Amtskollegen am Johanneum und am Akademischen Gymnasium, Gurlitt, Grohmann, Hipp, Krabbe und Redslob vor und nach ihm im 19. Jahrhundert noch taten. In dieser Memoria war nicht wie sonst üblich ein jüngst Verstorbener in zeitlich naher Betroffenheit zu ehren, so dass der Anlass, die zehnte Wiederkehr von Abendroths Tod 1842, sich in sehr viel umfassenderer Weise mit der allgemeinen historischen und politischen Entwicklung der Stadt Hamburg verbinden ließ.

Die Adressaten dieser Memoria waren lateinisch gebildete Hanseaten, für den akademischen Lehrer Wurm zunächst auch seine Studenten, d.h. die künftige Führungsschicht der Hansestadt.

Diese besondere aktualisierende Retrospektive, die unsere Abendroth-Gedenkschrift von 1852 auszeichnet, lässt sich in einer ersten Annäherung aus dem Werdegang ihres Autors ableiten.

Christian Friedrich Wurms langer Weg in sein akademisches Amt und zu seinem über Hamburg hinausweisenden öffentlichen Engagement ging zunächst von Tübingen aus über eine Hauslehrerstelle 1825 nach Epson/England, dann nach London, von wo aus er 1827 nach Hamburg geschickt wurde, um dort die Gründung einer englischen Zeitschrift vorzunehmen, zuerst „The Gleaner“ und daraufhin „The Hamburg Reporter“. Seine Arbeit setzte er dann auf Deutsch mit „Kritische Blätter der Börsen-Halle“ ab 1830 fort. Die Börse wurde sein erstes Forum für Vorlesungen über englische Literatur und Geschichte vor seiner Berufung an das Akademische Gymnasium. Auch die dortigen späteren Vorlesungen stießen auf ein reges Interesse der städtischen Öffentlichkeit:

„Wurm sprach und schrieb mit seltener Leichtigkeit; für die Fülle der Gedanken, die ihm zuströmten, stand ihm der angemessene Ausdruck zu Gebote; schlagende Vergleichungen und Parallelen gaben seiner Sprache blendende Schlaglichter, und überraschende Wendungen spannten die Aufmerksamkeit der Zuhörer und Leser“. [5]

Doch nicht allein dies rhetorische Talent fesselte die Zuhörer. Wurm setzte sich oft sehr kritisch mit den Hamburger Zuständen auseinander, die ihn in seiner ab 1838 ausgeübten Funktion des „proponirenden Secretairs“ der Patriotischen Gesellschaft auch politisch initiativ werden ließen. Dank seiner Vertrautheit mit den englischen konstitutionellen Verhältnissen verkörperte Wurm glaubhaft eine politische Außenperspektive, wenn er wie im Wintersemester 1836/37 vor allem die Rückständigkeit der Hamburgischen Verfassung - zuweilen sogar satirisch - beleuchtete.

Seine politische Position lässt sich dabei als liberal und demokratisch bezeichnen, den Ideen des späteren Vormärz verbunden. Dies wurde publizistisch schon 1836 signalisiert, als Wurm auf die Biographie Johann Heinrich Bartels über den Hamburger Bürgermeister Heinrich Meurer vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts mit einer umfangreichen Quellenkritik reagierte. Bartels (1761-1850), Senator während der Franzosenzeit vor der Annexion (1806-1810) und damit Amtskollege seines Schwagers Abendroth, nach der Befreiung Bürgermeister von 1820 bis 1850, vertrat in seinem Buch über den historischen Konflikt zwischen Senat und Bürgerschaft der Stadt die obrigkeitliche Linie, gegen die Wurm nach den „Kritischen Anmerkungen zu der Schrift ‚Der Hamburger Bürgermeister Heinrich Meurer“ publizistisch auch über Bartels’ Tod hinaus opponierte.

Es ging in diesem Kapitel der Stadtgeschichte um die sogenannten „Jastram-Snitger-Wirren“. 1684 hatten der Kaufmann Hieronymus Snitger und der Reeder Cordt Jastram als Vertreter der vom Rat brüskierten Bürgerschaft die Amtsenthebung des Bürgermeisters Heinrich Meurer durchgesetzt und die Bürgerschaft dazu bewogen, sie beide zu Vorsitzenden eines Dreißiger-Ausschusses zu ernennen, dessen Entscheidungen sich auch der Rat zu beugen haben sollte.[6] In diese Auseinandersetzung griff der Kaiser mit Truppen zu Gunsten von Rat und Meurer ein, woraufhin sich Snitger und Jastram an das innenpolitisch für Reformen offen zu scheinende, aber offiziell als Erzfeind Hamburgs angesehene Dänemark wandten, welches die Stadt daraufhin überraschenderweise belagerte. Auf Drohung Brandenburgs zogen die Dänen später ab, Meurer konnte zurückkehren und die beiden Aufrührer wurden auf der Grundlage manipulierter Dokumente wegen Hochverrats angeklagt, gefoltert und hingerichtet.

Während der Restaurationszeit war dieser soziale und institutionelle Konflikt zwischen dem autoritären Rat und den mehr Rechte einfordernden Bürger der Stadt eher ein Tabuthema gewesen. Nach der Julirevolution von 1830 in Paris fanden deren Ideen ihren Niederschlag in Hamburg in einer Vorlesungsreihe des Schriftstellers Leonhard Wächter an der Börsenhalle. Dieser hatte 17902/93 aktiv unter der Trikolore für die französische Revolution gekämpft, in der Schlussphase der Befreiung Hamburgs von der französischen Herrschaft hingegen extra muros auf Seiten der Hamburger Bürgergarde.[7] In seinen Vorlesungen arbeitete er die ältere Geschichte Hamburgs in Anknüpfung an den Hamburger Aufklärer und Gründer der patriotischen Gesellschaft, Johann Georg Büsch (1728-1800), als Handelsgeschichte auf.

Mit seiner Parteinahme für Snitger und Jastram hatte er vor Bartels Revision eine Neubewertung ihrer politischen Intentionen vorgenommen. Seine Kritik an den Verhältnissen zielte nicht nur auf die alten Zeiten, sondern versuchte, daraus Lehren in Bezug auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse besonders im Blick auf Frankreich zu ziehen.

„Die Ereignisse der Julirevolution waren für Wächter ein Anlass, die in fast allen deutschen Staaten noch immer ausstehende verfassungsmäßige Garantie von Bürgerrechten anzumahnen“.[8]

Nach seinem Tod verlagerte sich mit den antagonistischen Arbeiten von Bartels und Wurm diese Diskussion stärker auf die Hamburger Verhältnisse. Das ausgehende 17. Jahrhundert blieb ein Schauplatz „in effigie“ der Hamburger Diskussion über eine Reform der Verfassung, die ohne dies entrückte historische Gewand nicht ungefährlich war.[9]

C. F. Wurm reagierte publizistisch zunehmend auf aktuelle politische Fragestellungen.

Die seit Napoleons Kontinentalblockade virulenten Probleme des freien Handels setzten sich seit der Restauration fort: Wurm untersuchte Zollfragen, besonders die der Elbstadt Stade und im Sund Dänemarks, die Flussschifffahrt auf Elbe und Donau, den Seehandel unter internationalen politischen Aspekten wie z.B. dem der Neutralität und nicht zuletzt die blutige Auseinandersetzung vor Hamburgs Toren zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark, die er 1850 anonym als „Germanicus Vindex“ auf Englisch in London und Birmingham geißelte, wobei er ein ungeteiltes und deutsches Schleswig-Holstein einforderte. Daneben entstanden zahlreiche Artikel für Konversationslexika über die Hansestädte, den Zollverein, das Postwesen und Völkerrechtliches, um nur dies zu nennen und auf die Hamburger Verhältnisse zurück zu kommen.

Wurms kontinuierliche Verfolgung seiner Verfassungskritik setzte sich zunächst 1841 mit einer vergleichenden Studie fort: „Verfassungsskizzen der freien und Hansestädte“ (Meissner). Bewegung in die Hamburger Verfassungsdiskussion kam daraufhin aber unerwartet aus einer ganz anderen Richtung.

1842 ereignete sich - sieht man von zwischenzeitlichen Überschwemmungen und der großen Cholera-Epidemie von 1830 ab, die die Stadt heimsuchten - die zweite Katastrophe des Jahrhunderts nach der Franzosenherrschaft mit ihren Zerstörungen von 1813/1814: der Hamburger Brand, der vom 4./5. bis zum 8. Mai den Großteil der historischen Innenstadt einäscherte. Das unvorstellbare Ausmaß der Zerstörung der Hamburger Lebensgrundlagen warf die Frage nach der allgemeinen politischen Verantwortung auf, besonders nach den Schutzmaßnahmen und der Baupolitik des Senats zuvor und nach den schwerfälligen und unkoordinierten Reaktionen bei der Bekämpfung des Infernos.

C. F. Wurm wendet sich daraufhin schon am 25. Mai mit der Schrift „Ein Wort an meine Mitbürger“ und einer nachgeschobenen „Zugabe“ an die Einwohner und den Senat. Die Parallele mit der Situation nach der ersten Hamburger Katastrophe des Jahrhunderts sei nicht zu übersehen und wird von ihm und auch von anderen verdeutlicht.[10]

1814 hatte der abgesetzte Maire und nach Kiel ins Exil gegangene Senator Abendroth in seiner Grundsatzschrift „Wünsche bey Hamburgs Wiedergeburt“ das Bild eines künftigen reformierten Hamburg entworfen. Abendroth, der den Hamburger Brand hilflos von seinem Eppendorfer Krankenlager mit ansehen musste, hatte damals schon die Trennung der Justiz von der Verwaltung und eine Öffnung der bürgerlichen Kollegien für alle Konfessionen gefordert, allerdings ohne Erfolg, so dass die Stadt in der Folgezeit paradoxerweise hinter einige Freiheiten des „Code civil“ zurückgefallen war.

C. F. Wurm erinnerte nun an einige der Vorschläge Abendroths für das wieder aufzubauende Hamburg: „Ich habe mich“, so schrieb er am 18. Mai einleitend, mit derjenigen Seite des Unglücks beschäftigt, über welche jeder Bürger, der unsere Verfassung kennt und liebt, bemüht sein muß, sich ein Urteil zu bilden“. Sodann zitierte er drei Seiten lang Abendroths Schrift von 1814. Aus seiner Sicht sei diesen aufrüttelnden Passagen in der aktuellen Situation von 1842 wenig hinzuzufügen:

„Je größer das Unglück ist, desto thätiger müssen wir sein, das Umgestürzte wieder aufzubauen; .. Heilig und werth sei uns das ehrwürdige Vermächtnis unserer Vorfahren. Nur muß uns diese Liebe zu unserer Constitution nicht blind gegen ihre Fehler machen. So wird selbst aus der Vereinigung mit Frankreich noch ein spätes Heil für Hamburg hervorgehen“. Und Wurm schließt: „Statt der Vereinigung mit Frankreich setzt das Brandunglück: sollte das Wort nicht zur Wahrheit werden? Es wird, wenn wir nur wollen. Das walte Gott!“ [11]

Diese historische Analogie machte jedoch C. F. Wurm nicht blind für konkrete, neu begründete Forderungen. Da die Hamburger Verfassung für so außerordentliche Fälle nicht vorgesorgt habe, zeigte er an Beispielen aus der Hamburger und gar der römischen Geschichte, dass im Fall der Not eine „schleunig durchgreifende Einheit des obersten Befehls“ erfolgen müsse.[12] Dabei rief er auch die Möglichkeiten der geltenden Verfassung in Erinnerung. Der 17. Artikel im Hauptreceß sah außerordentliche Deputationen vor, deren Vollmacht indessen nicht definiert war, so dass dies nunmehr anzumahnen sei.[13] Im dritten und letzten Kapitel weist C.F. Wurm noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass es in „manchen Stücken anders werden muß“. Schon 1814 sei eine Bürgerdeputation erfolgreich eingesetzt worden. Man müsse die Bürger-Collegien neu gestalten. „Wir bedürfen eines vom Senat völlig getrennten Obergerichtes.“, d.h. er schlägt vor, die Judikative von der Exekutive trennen.

Am 11. Juni 1842 reichte C. F.Wurm eine achtseitige „Zugabe“ nach, in der er die Positionen der Patriotischen Gesellschaft entgegen dem mittlerweile erhobenen Vorwurf der „Agitation“ referiert und in einer Fußnote auf J.W. Christerns Gegenschrift zu seinem „Wort“ eingeht.[14] Die Gesellschaft habe am 1. Juni beschlossen, dass eine Commission von namhaften Hamburgern (Baumeister, Gädechens, Gensler, Kirchenpauer, Mettlerkamp, Repsold, Voigt und Wurm) eine Eingabe mit Anregungen von dringenden Reformen an den Senat vorbereite. Sodann folgte der Entwurf. Die Unterzeichnenden wünschen einstimmig: „Veränderungen in der Wahlart unserer bürgerlichen Collegien; weitere und vollständige Durchführung des Grundsatzes der Trennung der Rechtspflege von der Administration; eine Reform des Polizei-Wesens und eine Abhülfe für so manche Mängel in anderen Zweigen der Verwaltung“.

Angesichts eines Gerüchts, die oberste Staatsbehörde habe die Eingabe missfällig aufgenommen, forderte Wurm als Vertreter der Patriotischen Gesellschaft, auf deren Legitimation er zuvor in Bezug auf ihre Stifter im 18. Jahrhundert ausführlich hingewiesen hatte, eine Einberufung der Bürgerschaft und legte deren Möglichkeiten aus.

Der Dissens zwischen Bürgern und Senat rief alte Geister wach wie Werners bereits erwähnten Pseudo-Jastram.[15] Im dennoch eintretenden, von Seiten des Senats sehr reserviert geführten Dialog kam es daraufhin zur Bildung einer vermittelnden neuen Commission, die an die Unterzeichner der obigen Petition im Folgejahr 1843 einen Bericht vorlegte, in dem Voigt den Verfassungsteil, Baumeister den Teil überPolizei und Justiz, Wurm den über Presse und das Schulwesen ausführlich zusammenfassten.[16]

Neben den politischen Initiativen C. F. Wurms und der Patriotischen Gesellschaft gab eine es ganze Reihe literarischer kritischer Beschreibungen dieser Katastrophe.[17] Die Reformdiskussion führte zwar zur Einberufung einer Konstituanten, die nach der 48ger-Revolution im Juni 1849 einen Entwurf einer demokratischen Verfassung dem Rat überreichte.[18] Die Verhandlungen darüber zogen sich ein Jahrzehnt in die Länge, bis endlich im September 1860 eine neue Verfassung mit parlamentarischen Elementen in Kraft gesetzt wurde.

In der Folge seiner bildungspolitischen Commissions-Arbeit entwarf C. F. Wurm 1845 einen „Universitätsplan für Hamburg“, der die Gründung einer kosmopolitischen Universität in der Hansestadt vorsah, damit sie einen internationalen Rang erobern könne.[19] Dieses Vorhaben wurde vom Akademischen Gymnasium unterstützt, von den Kollegen Petersen, Wiebel und Redslob mit unterzeichnet, aber noch zurück gehalten. Der Zensor Dr. Hoffmann verweigerte das Imprimatur. Durch Vermittlung des Syndikus Karl Sieveking erschien der Universitätsplan jedoch am 14. April 1847 in den Hamburger Blättern. Der Senat reagierte mit Unwillen und erteilte den unautorisierten Herausgebern einen Verweis. Man drohte, das Akademische Gymnasium durch das Einstellen weiterer Berufungen aussterben zu lassen. Wurm drohte seinerseits mit der Niederlegung seines Amtes. Als Kompromiss wurde ein Komitee gegründet, das untersuchen sollte, ob die Einrichtung einer lokalen Universität wünschenswert sei und wie man sie finanzieren könnte. Wurm nahm den alten Konflikt mit der Zensur im selben Jahr auf - wie schon zuvor in seinen „Worten“ und im „Commissionsbericht“ – mit der Forderung nach einer freien Presse.[20]

Im September 1847 weihte C. F. Wurm als Sekretär den Neubau der Patriotischen Gesellschaft mit einer Rede ein, die belegte, dass sich sein Interesse von den Verhältnissen der Stadt abrückte und sich den Geschicken Deutschlands zuwendete.[21]

„Der Deutsche träumt noch immer; aber es ist ein Wandel gekommen über den Geist seines Traumes. Er wird erwachen; Willenskraft und Einsicht werden festhalten, was die Phantasie seinem inneren Auge heraufgeführt. Es ist ein Ringen nach Einheit, wie keine frühere Zeit es erlebt hat. Zunächst auf dem Gebiet der materiellen Interessen macht es sich geltend, dass gemeinsame Angelegenheiten gemeinsam beraten sein wollen. [...] über den materiellen Interessen schwebt die Idee der Nationalität“ (S. 41 f.) Er schloss mit einem dreifachen Hoch auf das deutsche Vaterland.

Wurms Berufung in das Frankfurter Vorparlament lässt ihn Hamburg im Frühjahr 1848 den Rücken kehren. Politisch sprach er sich für umfassende Neuerungen aus, freilich in gemäßigter, nach Eintracht suchender Weise, so dass er den Verfechtern einer deutschen Republik entgegentrat. Als gewählter Abgeordneter des ersten württembergischen Wahlbezirks Waiblingen zog er in die Frankfurter Nationalversammlung ein und wurde Mitglied des Ausschusses für völkerrechtliche und internationale Angelegenheiten.

Hamburg war von Johann Gustav Heckscher, Ernst Merck und Edgar Daniel Roß sowie Gustav Heinrich Kirchenpauer vertreten, zu denen er eine distanzierte Beziehung hatte.

C. F. Wurms Parlamentsreden betrafen Schleswig-Holsteins Integration, das Verhältnis Österreichs zu Deutschland und Preußens eigenmächtiges Vorgehen beim Friedensvertrag von Malmö 1848 ohne Berücksichtigung der neuen parlamentarischen deutschen Zentralgewalt in Frankfurt. 1849 erkannte Wurm das Scheitern seiner großdeutschen Hoffnungen, in denen er Österreich eine erste Stelle zugebilligt hatte. Seine Befürwortung und sein Votum für die Reichsverfassung wurde in Hamburg mit Beifall, in Württemberg mit Entrüstung aufgenommen, die sogar in Forderungen mündete, ihm sein Mandat zu entziehen. Nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV legte C. F. Wurm im Mai 1849 zusammen mit 21 weiteren Abgeordneten sein Mandat nieder und kehrte vorläufig nach Hamburg zurück, beteiligte sich jedoch noch an der bald darauf einberufenen Gothaer Versammlung, die eine Einigung mit Preußen in der Verfassungsfrage anstrebte. Sein enttäuschter Patriotismus schien sich in seinem Einsatz in der Schleswig-Holstein-Frage zu kompensieren.

Nach seiner endgültigen Rückkehr Ende Mai 1849 nahm C. F. Wurm seine Tätigkeit am Akademischen Gymnasium wieder auf.

Immerhin war zwischenzeitlich in Hamburg im März 1848 die Zensur abgeschafft und eine Reformkommission eingesetzt worden, ohne die öffentliche Meinung vom Reformwillen des Senats überzeugen zu können. Im August folgte die Konstituante.[22] Während die Verfassungsgebung stagnierte, wuchs im Zuge des Schleswig-Holstein-Krieges der Druck Preußens auf die Stadt. Im Herbst 1848 hatten sich preußische Truppen für den Winter einquartiert, im Januar 1851 wurde Hamburg von österreichischen Truppen besetzt, die erst im Herbst wieder abzogen. Preußen und Österreich mischten sich überdies zweimal mit Noten in die Hamburger Verfassungsgebung ein.

C. F. Wurm setzte 1850 und 51 sein Engagement in der Schleswig-Holstein-Frage vor allem in England in Zeitungsartikeln und mit Reden persönlich fort.

Wurms Gedenkschrift auf Abendroth ist 1852 die erste große Veröffentlichung nach den Frankfurter Jahren. In ihr knüpft Wurm die Geschichte reformerischer Ansätze an die Person Abendroths, der die Jahrhundertkrisen von 1814 direkt und 1842 indirekt als Visionär reformerisch beeinflusst hatte. Hamburgs Freiheit stand abermals auf dem Spiel, ohne dass Senat und Bürgerschaft sich mit ihren eigenen Reformenansätzen gegen den äußeren Druck überzeugend behaupten konnten. Im Senat zeichnete sich ein Generationswechsel ab. Die Rückbesinnung auf Abendroth zu diesem Zeitpunkt erschien als eine gute Gelegenheit, fortschrittliches, mutiges Eintreten für neue Ideen an einer Person festzumachen, deren Charisma nicht gelitten hatte. Abendroths persönliche und funktionale Autorität konnte als Vorbild dienen, weil sie ihn - so das letztes Wort dieses biographischen Manifestes - populär gemacht, d.h. ihm eine Akzeptanz verschafft hatte, in der man sich aufgehoben und vertreten fühlte wie die Bewohner der republikanischen Idylle Ritzebüttel in ihrer Vaterfigur Abendroth. Diese Kriterien konstituieren nach Überzeugung Wurms eine „libera res publica“, eine Demokratie, mit der er begrifflich die Memoria beschließt (S. XX), erst wirklich, auch wenn deren Entwurf nur noch eine urbane einzelstaatliche Lösung zu zulassen schien.

2. Zur Gattung der Nekrologe

2.1 Die Tradition

Das griechische „Nekrologos“ bedeutet die Rede auf einen Verstorbenen. Ebenso ist eine „oratio funebris“ des Römers zu verstehen oder zunächst auch die „oraison funèbre“ der französischen klassischen Tradition. Hierbei war zunächst die Totenehrung der unmittelbare Anlass für die Rede, die am Grabe oder an einem öffentlichen Ort zum Gedenken an den Verstorbenen gehalten wurde. Welche Person einer Rede für würdig erachtet wurde und wer diese Rede auf sie hielt oder verfasste, wer jemanden dazu autorisierte, das alles waren ursprünglich politische Fragen, die literaturgeschichtlich gattungsrelevant wurden.

Die Leichenpredigten der Neuzeit ehrten zunächst nicht jeden zu bestattenden Christen. Hier muss zwischen einer kurzen Ansprache am Grabe und einer in Auftrag gegebenen großen Leichenpredigt für eine herausragende Persönlichkeit unterschieden werden. Auch die christliche barocke Rhetorik schöpfte aus der Antike, sei es aus direkten Quellen oder aus den zahlreichen Handbüchern mit Anleitungen, Reden zu allen möglichen Lebenssituationen zu verfassen. [23]

In Hamburg war es seit dem Barock Tradition, dass man großer, um die Gemeinschaft verdienter, meist männlicher Bürger, in der Regel Senatoren oder Bürgermeister, über die üblichen in deutscher Sprache gehaltenen Begräbnisfeierlichkeiten hinaus besonders gedachte. Ihnen wurde post mortem eine lateinische Schrift „In memoriam“ mit dem Zusatz ihres Namens gewidmet. Da diese Gedenkschrift zumeist chronologisch das Leben des Verstorbenen würdigte, fanden sich dafür auch die Titel „Vita“ oder „Narratio vitae“, also Erzählung des Lebens. Nicht zu vergessen ist eine in Hamburg damit verbundene musikalische Tradition. So sind aus dem 18. Jahrhundert von Georg Philipp Telemann sechs von neun Trauermusiken auf Hamburger Bürgermeister erhalten, denen biblisch-geistliche, aber auch eigene Texte zugrunde liegen wie im Falle des „Schwanengesanges 1733“ auf Garlieb Sillem (Bürgermeister 1717-1732), der den Text zu einer Trauermusik bei Lebzeiten selber verfasste, um im Sinne der barocken „vanitas“-Idee die eitlen Schmeicheleien und „Lobes-Erhebungen“ anderer zu verhindern. [24]

Diese großen sehr aufwendigen Hamburger Leichenfeiern fanden innerhalb von fünf Tagen nach Ableben in einer der Hauptkirchen statt.

Erinnerungsschriften hingegen standen nicht unter diesem Zeitdruck. Im 19. Jahrhunderts z.B. konnten schon einmal zwei Jahre seit der Beerdigung bis zur Veröffentlichung verstrichen sein, im Falle Abendroths ausnahmsweise sogar eine Dekade. Dass Abendroth 1842/43 keinen lateinischen Nekrolog bekam, - er starb am 17. Dezember -, ist schon verwunderlich. Das Akademische Gymnasium, an dem die lateinischen Nekrologien verfasst wurden, war nicht abgebrannt. Aber nach der Katastrophe war Abendroth als Reformer fast phönixhaft in der politischen Diskussion wieder aufgetaucht. Hierin sind wohl die Gründe dafür zu sehen, dass der Senat als traditioneller Auftraggeber der Nekrologe kein normatives Gegenbild zu seiner eigenen Politik dulden wollte.

2.1.1 Typologie

Um die inhaltlichen Aspekte eines Nekrologs, seine Topoi, d.h. die festen rhetorischen Elemente und deren formale Abwandlungen textuell besser in Augenschein nehmen zu können, bedarf es eines großen Schrittes zurück.

Das zentrale Dokument für die Bestattungsriten römischer Adliger im 2. Jahrhundert v. Chr. liefert Polybios in seinen Historien (VI, 52-54): das ganze Volk versammelt sich auf dem Forum um den aufgebahrten Verstorbenen, über dessen Tugenden und Taten ein Familienmitglied eine Rede hält. Nach der Bestattung stellt man eine dem Antlitz des Toten ähnlich aussehende Maske auf und trägt im Leichenzug seine Kleider und Insignien. Ein junger Mann, so Polybios, der nach Ruhm strebe, könne nichts Schöneres sehen als die Erinnerung an Männer, die wegen ihrer Vollkommenheit berühmt seien. Der Ruhm derer, die etwas Bedeutendes geleistet hätten, werde so unsterblich gemacht. Junge Männer sollten durch diese Zeremonie angespornt werden, für das Allgemeinwohl alles zu ertragen, um des Ruhmes dieser verdienten Männer teilhaftig zu werden.

Dieses zu imitierende Ideal ist, auch wenn Cicero später vor Verfälschungen durch Lobreden warnte, ein umfassendes: der tapferste Feldherr sollte auch der beste Redner, der größte Weise und der beste Staatsmann sein. Bei Cassius Dio (XLIV, 37) erfährt man, dass zuerst von der familiären Herkunft gesprochen werden sollte, weil sie einen bedeutenden Einfluss auf die Art der Tugenden habe.

Natürlichweise beginnt jede chronologische Vita mit der familiären Herleitung, doch mit welchen Schwerpunkten?

Schon den zweiten Satz in seiner Gedenkschrift widmet Wurm der Herkunft Abendroths, über die es wenig Quellen gebe. Allein der strenge und gebildete Vater hätte gemäß seiner eigenen natürlichen Begabung zur Herausbildung eines „animus firmus“, einer entschlossenen Geisteshaltung des Sohnes nicht unwesentlich beigetragen.

Man könnte darin fortfahren, Elemente des römischen Ruhmesgedankens und der damit verbundenen Tugenden auch noch von Seiten der Philosophie her zu beleuchten, z.B. der stoischen Pflichtenlehre. Die Gattung Nekrolog konstituiert sich zeitlich progressiv durch wechselnde Bezugnahmen. Die großen Referenzrahmen sind in ihren Quereinflüssen bisher kaum zufriedenstellend aufgearbeitet, ja zuweilen nicht einmal deutlich. So ist die antike Tradition eine zweiteilige. Neben die Totenrede des obigen Polybios-Typs mit einem deutlich mahnenden Appell, der exemplarischen Vita nachzueifern („admonitio“), gibt es die Trostrede („consolatio“). Aus der römischen Welt sind Beispiele von Cicero und Seneca erhalten und Consolationes wurden schon in den kaiserzeitlichen Rhetorenschulen systematisch eingeübt. Spätere christliche Autoren verbanden die Trostargumente mit den Verheißungen der neuen Religion.

Wollte man jetzt eine Brücke von der Spätantike zum Barock schlagen, müsste man nicht nur einzelne literarische Formen der Trauer wie die lyrische Klage des „planctus“ betrachten, sondern vor allem nach der Individualisierung der Totenrede fragen, nach den Einflüssen der Heiligenlegenden wie z.B. der „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine (1228-1298) und der antiken Preisrede, der Panegyrik, im Mittelalter. .[25]

Einen großen Aufschwung erfährt die Totenrede im Zeitalter der Gegenreformation, und dies auf Deutsch. Hier sind z.B. Andreas Gryphyius’ „Dissertationes funebres, oder Leich-Abdankungen“ (1666) als reiche Quelle wieder zugänglich.[26] Die katholische und die protestantische Leichenpredigt des 17. Jahrhunderts an Beispielen von Wolfgang Fuchs und Johann Gerhard hat Anselm Steiger besonders in ihren strukturellen Konstituenten „lamentatio“, „laudatio“, „consolatio“ und „admonitio“ beschrieben. Es handelt sich in beiden Fällen um Ausprägungen der Trostpredigt, die mit biblischen Textzitaten einsetzten. Die protestantische Variante bediente sich einer auf Oppositionen reduzierten „rhetorica sacra“, während auf der katholischen Seite der Schmuck, der „ornatus“ der antiken Rhetorik, in der Laudatio der Tugenden des Verstorbenen voll zum Tragen kommen durfte. Diese Tugenden waren die bekannten christlichen Werte Glaube, Liebe und Hoffnung und darüber hinaus durchaus auch individuelle charakterliche Vorzüge.

Ein letzter kurzer Blick soll den berühmten, fast theatralischen „Oraisons funèbres“ von Jacques-Bénigne Bossuet gelten, dem Höhepunkt französischer Totenreden (ab 1655).[27] Sie waren pompöse gesellschaftliche Ereignisse und betrafen hochgestellte Persönlichkeiten.

Diese Reden sind strukturell dreiteilig, beginnen mit einem Exordium, das z.B. bei Henriette Anne von England (1670) mit dem Thema der „vanitas“ einsetzt und dann ihr Leben unter diesem Leitbegriff der „eitlen“ Vergänglichkeit vorführt und religiös einordnet in das Prinzip der Gnade Gottes. Die Argumentation arbeitet mit These und Antithese, verwendet laufend Zitate aus der Bibel und aus den Kirchenvätern und scheut nicht vor emphatischen Bildern oder Metaphern zurück, um mitten in die Herzen der Zuhörer zu treffen. Auch wenn Teile der Reden stilistisch komplexe ciceronische Perioden enthalten: der Text Bossuets ist das Protokoll eines äußerst lebendigen, sich direkt an den ergriffenen Zuhörer wendenden frommen Diskurses, in den aktuelle politische Themen integriert sein können.

2.2. Die Hamburger Memoria

Christian Friedrich Wurms Memoria an Abendroth unter gattungsgeschichtlichen Aspekten einordnen und damit auch interpretieren zu können, ist kein lineares Unterfangen. Die Hamburger Nekrologe seit dem 17.Jahrhundert sind noch wenig erschlossen, unterliegen freilich diversen Einflüssen, die politischen wurden bereits angesprochen.[28] Der große Abstand zwischen dem Tod Abendroths und der Publikation schließt eine Beeinflussung im Sinne einer thematischen Wiederaufnahme der damaligen protestantischen Leichenpredigt aus, wiewohl in Wurms Anmerkung 56 dem Ritzebüttler Pastor Werner breiter Raum für Auszüge aus der Predigt auf Abendroth abschließend einräumt wird.

Wurm verstand sich in erster Linie als Historiker, als ein Historiker, der mit der Antike eng vertraut war. Er stützte sich in seiner Erinnerungsschrift an Abendroth gattungstechnisch wider Erwarten zunächst auf ein anderes antikes Vorbild, auf die historische Monographie.

Der Beginn seines ersten Satzes nennt implizit das Vorbild für diese Vita:

„Amandus Augustus Abendroth, Hamburgensis,..“

Wurm verweist auf damit auf geläufige Beispiele wie

„Themistocles, Neocli filius, Atheniensis.” oder

“Agesilaus Lacedaemonius…” oder gar

“Hannibal, Hamilcaris filius, Karthageniensis.”

Die Namensnennung, Abstammung und sodann die lokale Herkunft, attributivisch dem Namen nachgestellt, ist die Standarderöffnung der kurzen populären Lebensbeschreibungen des Cornelius Nepos (100-24 v.Chr.) in „Liber de excellentibus ducibus exterarum gentium“ [Buch über die hervorragenden Führer auswärtiger Völker], das nach wie vor als Schullektüre gelesen wird. In seinem Vorwort (Praefatio) sagt Nepos vor allem, dass es ihm nicht um eine Darlegung griechischer Tugenden gehe, um zu deren Nachahmung anzuregen. Es solle vor allem der Werteunterschied gezeigt werden, denn was bei den Römern als ruhmvoll gelte, werde bei den Griechen meistens für schändlich erachtet. Mit diesem Auftakt zur Erinnerungsschrift kündigt Wurm dem lateinisch gebildeten Leser eine kurze historische Vita à la Nepos an und gleichzeitig im Sinne der Praefatio ein kulturgeschichtlich-politisches Kontrastprogramm zu damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen Hamburgs.

2.2.1 Johannes Gurlitts Doormann-Memoria

Der langjährige prägende Rektor des Johanneums, Johannes Gurlitt, legte 1826 einleitend zu seiner vom Senat in Auftrag gegebenen „Narratio vitae“ Hermann Doormanns den Ablauf seiner Schilderung so fest, wie er es auch zuvor bei Fridrich von Graffen gehalten habe: [29]

1. werde er von dessen Kindheit und Jugend reden,

2. über seine öffentlichen Aufgaben und Tätigkeit für den Staat,

3. werde er über dessen positive Charaktereigenschaften („virtutes“) und Sitten („mores“) kurze Andeutungen machen.

In seinem Text von 62 Seiten verteilt er den Stoff ohne explizite Abgrenzung folgendermaßen:

S. 3-6 : Herkunft, Schulzeit, Studium Doormanns;

S. 7-36: öffentliche Tätigkeiten ab 1781,

S. 21-25 unterbrochen durch die wohl zu Unrecht bis weit ins 20. Jahrhundert hinein viel geschmähte Rede der hanseatischen Delegation vor Napoléon, von Gurlitt im lateinischen Text auf französisch zitiert mit

S. 25-27 der Antwort des Kaisers,

S. 36-52: Dormanns charakterliche Anlagen, sein Fleiß, seine Klugheit und Umsicht, seine Zuverlässigkeit, Einfachheit, Integrität, Sprachbegabung, Humanität, Menschenkenntnis, Nachsicht, religiöse Toleranz;

S. 43 ff. sodann die diversen privaten Tugenden; Ehefrau, Familie und Freunde – in Abweichung von der Ankündigung- werden in fast epischer Breite berücksichtigt.

Nach der Auflistung von allen 36 Bürgermeistern und Senatoren, die eine Gedenkschrift erhielten (S: 53-57) folgt abschließend (S. 57-62) auf diesen Katalog eine pathetische Hinwendung an die Bürger der Stadt, gemeinsam die Trauer über diesen großen Mann zu tragen, dessen Tugenden noch einmal in einen allgemeinen Zusammenhang menschlichen Bemühens um den Staat gestellt werden (S. 58), ehe Gurlitt bildungsmäßige Empfehlungen für die künftige Lebens- und Verhaltensweise der Bürger und besonders der Jugend aus diesen exemplarischen Lebensläufen ableitet. Dafür empfiehlt er mit einem deutlichen Fingerzeig auf die dänische Konkurrenz ganz eigennützlig seine eigene Bildungsanstalt, das Johanneum mit dem Akademischen Gymnasium..

Dieser Schluss entspricht formal ganz dem Admonitio-Typ der klassischen Totenrede. Bei dessen festen Bestandteil, dem Tugend-Katalog, ist es von großem Belang zu untersuchen, welche Tugenden genannt werden. Die Doormann attestierten betreffen zuerst seine öffentlichen Tätigkeiten, zum anderen den privaten Umgang mit Angehörigen und Freunden. Dass eine Aufforderung zur Nachahmung positiver Eigenschaften wie Fleiß und Vaterlandsliebe erfolgt, liegt in der Natur des Vorbild-Denkens, aber der Pädagoge Gurlitt entwickelt diesen appellatorischen Gedanken durchaus auch antithetisch. Den Lastern wie Faulheit („pigritia“) oder Arbeitsscheue („fuga laboris“) sei erzieherisch entschieden entgegen zu wirken. Dieses Anliegen ist ihm eine lange und kuriose Anmerkung zur moralischen Geschichte Hamburgs wert.[30] Seit der antiken Diskussion über Tugend und über das System der Tugenden besonders in ihrer Rangfolge stellt dieser Passus eine interessante lokale Neuorientierung dar, und zwar nicht nur formal, sondern auch ethisch.[31] Es steht für den politisch Verantwortlichen nicht mehr die platonische Gerechtigkeit an erster Stelle (lat. „iustitia“) der vier Kardinaltugenden, deren andere die Mäßigung, die Tapferkeit und die Weisheit sind.

Gurlitt merkt an der selben Stelle dazu an:

„Es kann nicht abgestritten werden, dass das Hamburger Gemeinwesen seine alten Tugenden länger als viele andere große und berühmte Städte bewahrt hat. Unter diesen sind meiner Meinung nach besonders eine gewisse ernste Würde des Geistes („animi gravitas“), eine Unbeschadetheit und Reinheit des Charakters („morum integritas et candor“), eine Einfachheit der Lebensführung, ebenso Fleiß und die Liebe zur Arbeit und schließlich die Strenge bei der Erziehung der Knaben hervorzuheben. Die Gründe dafür sind offenkundig. Denn außer dass die gewisse Würde des Geistes jede Oberflächlichkeit und Eitelkeit, jede Anmaßung und religiöse Schmeichlerei verhasst macht, ist sie vor allem den Norddeutschen eigen und hat die Hamburger lange etwas hartnäckiger an den guten alten Sitten festhalten lassen.

Die Freiheit und Gleichheit der Bürger hat bei ihnen sogar das bewirkt, was oft in freien Gemeinwesen zu entstehen pflegt, dass nämlich deren Sitten sich viel später auf den weltstädtischen Charakter und dessen Auserwähltheit auswirkten als in Königreichen.“

Fleiß und Emsigkeit in der Arbeit seien deshalb beständiger, wenn eine philanthropische Erziehung diese Eigenschaften verstärke.

2.2.2 Wurms Memoria an Abendroth

Die in vielfältiger Hinsicht unkonventionelle Abendroth-Erinnerungsschrift C. F. Wurms ist in fünf Kapitel unterteilt, allerdings ohne Inhaltsangabe, lediglich mit einer lateinischen Zahl versehen. Natürlich ist das Schema biographisch aufsteigend, aber mit welchen Schwerpunkten und welchen hervorzuhebenden Tugenden des Laudandus?

I (S. 1-4): Jugend, Studium, Heirat in Italien, Rückkehr, Anwaltstätigkeit. Erste soziale Reformbestrebungen, Jugendbildung, juristische Auseinandersetzungen mit dem Magistrat über Rechtsnormen, Wahl in den Senat.

II (S. 5-7): Abendroth als Prätor, als Amtmann in Ritzebüttel, allg. politische Lage 1809-1811, Ernennung zum Maire, Reise nach Paris.

III (S.7-10): Politische Situation Hamburgs 1812-13, Flucht aus Hamburg, Verhandlungen mit der franzöischen Regierung.

IV (S. 11- 14): Im Exil: politische Aktivitäten während der Belagerung Hamburgs, der Gewährsmann der Alliierten und Programmatiker der Wiedergeburt Hamburgs.

V (S: 14-20): Neukonstituierung des Senats, Tätigkeit in Ritzebüttel, Verwaltungstätigkeit, Prätor in Hamburg, Ernennung zum Bürgermeister, Charakter (19 f.), Laudatio.

Abendroths Vita und sein öffentliches Wirken ist in der Schilderung der großen politischen Zusammenhänge der Franzosenherrschaft vorgeführt und zum Teil neu dokumentiert. Nicht der unbestrittene Sozialreformer mit seinem Einsatz für die armen Schichten steht im Mittelpunkt, sondern der visionäre Retter Hamburgs. In seinem Handeln bestimmt sich der Charakter, der auf die Probe gestellt wird. Wurm unterstreicht dies stilistisch, indem er seine Kapitelenden dramatisch (III, IV) zuspitzt. Gerade im Kapitel IV charakterisiert er Abendroth implizit und hebt dessen historischen Rang als alleinverantwortlichen Entscheidungsträger mit einem Cicero-Zitat hervor (s.u.).

Bei Wurm wird nicht wie bei Gurlitt ein ganzer Katalog positiver, in das öffentliche Leben hinein wirkender Eigenschaften gewissermaßen Punkt für Punkt abhakt, obwohl charakterliche Kriterien wie „humanitas“ (Menschlichkeit gepaart mit auf Bildung beruhender Überzeugungskraft) und „gravitas“, die Amtswürde, Abendroth bei der Durchsetzung seiner Interessen gegenüber den französischen Besatzern in Ritzebüttel auszeichneten. Sie sind allerdings nur sekundäre Aspekte seiner Zentraltugend, der „auctoritas“, die zur Grundlage der Popularität dieses Senators und Maires in zwei politischen Systemen werden konnte, weil sie zielgerichtet auf politische Freiheit hin orientiert war, wie sie auch schriftlich am Ende der Krisenzeit von ihm eingefordert wurde. Dass man Abendroth auch anders hatte sehen und bewerten können, deutet Wurm nur an und nimmt ihn in Schutz, vor allem gegen den Vorwurf des Hochverrats (S. X) als „sectator“, d.h. Parteigänger der Franzosen. Diese Autorität leistete sich vorausschauend eine gegenteilige Einschätzung des von den Hamburgern begeistert begrüßten Aufstandes (IX). Er sah die Bedrohungen voraus undzog besonnenes Abwarten in der Distanz seines Exils in der dänischen Küstenstadt Kiel vor, wo die Sorge um die Mitmenschen ihn ganz konkret beschäftigte und festhielt, bis Ende Januar/Anfang Februar die Zeit gekommen schien, in Ritzebüttel als erster Senator einer künftigen Stadtstaatregierung wieder tätig zu werden. Diese „autoritas“ hat nichts mit Arroganz zu tun. Sie ist eine populäre Akzeptanz, die aus der Erfahrung wuchs, dass der Amtsträger sich auch in höchster Not verantwortlich um das Gemeinwesen kümmerte.

Erst auf der letzten Seite quasi als Nachruf nimmt Wurm noch einzelne, für eine Demokratie erinnerungswürdige Züge auf, die eine Kritik anmaßenden Verhaltens in kritischen Momenten abzumildern versuchen: Abendroths Beständigkeit („constantia“) und seine Vaterlandsliebe („amor erga patriam“) stünden außer Zweifel, d.h. waren aus der historischen Wertung heraus trotz seiner Zusammenarbeit mit Hamburgs Feinden für den Autor Wurm wie für jedermann unbeschadet geblieben. „Was er vermöge seiner Amtsgewalt nicht vermochte, habe er dank seiner Autorität erreicht“ (XX). In seiner letzten Lebensphase nähern sich in dieser Vita Abendroths Leben und das eines römischen Staatmannes, für den Cicero steht, einander an. Auf die öffentliche Tätigkeit (lat. „negotium“) folgt die reflektierende Phase des schriftstellerischen „otium“. Dabei habe sich der Greis seine gütig gefällige Art zusammen mit jugendlichem Witz und sogar Spott trotz seiner körperlichen Hinfälligkeit bewahrt (XIX).

3. In Memoriam: Stilistisches

In seiner zweiten Anmerkung geht C. F. Wurm auf den Stil Abendroths in dessen Schriften der 30ger Jahre über die Hamburger Armen-Anstalt ein. Diese kurze Passage ist zugleich indirekt ein kontrastives Kompendium Wurmscher Rhetorik, die man sich im Original ansehen muss:

Ex hoc libello paucula iuvat adscribere, ut lectori innotescat scribendi genus quo Noster usus est. Mihi quidem nemo fere cognitus, qui minus ornate scriberet, quique in oratione tam plana tam vegetum tamque vividum prae se ferret veri sensum, recti et aequi. [Aus diesem Buch möchte ich gern ein wenig zitieren, um dem Leser den Schreibstil vorzuführen, den A. gebrauchte. Mir ist fast niemand bekannt, der weniger rhetorisch verziert schrieb und der bei einer so klaren Redeweise einen ebenso munteren wie lebhaften Sinn für das Wahre, Richtige und Gerechte an den Tag legte.]

Die gelobte Klarheit und Lebendigkeit des Abendrothschen Stils beruhen, sieht man sich die nachfolgenden Belege Wurms an, durchaus nicht auf der Einfachheit seines Satzbaus. Sein juristisch-amtlicher Duktus unterscheidet sich von dem der Laudatio des Historikers Wurm darin, dass er eben seinen Satz nicht nach rhetorischen Wendungen (Tropen) und Wort- oder Gedankenfiguren konstruiert, vermittels derer Sachaussagen „uneigentlich“ hervorgehoben, zugespitzt, gegenübergestellt oder gar poetisiert, kurz mit Schmuck versehen werden.[32]

Dieses so definierte „ornate scribere“ scheint Wurm hingegen zutiefst persönlich zu eigen, sobald er auch nur die kleinste lateinische Anmerkung schreibt, verwandelt sich sein Gedanke qua Rhetorik, bzw. letztere generiert den komplexen Gedanken. Sein vordergründigstes Stilmittel ist dabei die Alliteration, die Wortgruppen miteinander durch den selben anlautenden Konsonanten zu einer Einheit verbindet: „vegetum“ ..“vividum“ .. „veri“ alliterieren auf „v“, hier in einer Dreierbindung als inhaltlich charakteristische Eigenschaften der Sprache Abendroths. Der Dreierschritt findet sich sehr häufig in rhetorisierten Texten, sei es als Satzteile (Trikola) oder als Steigerung (Klimax) wie hier „veri“...“recti et aequi“, sei es als Anapher, d.h. Wiederaufnahme des gleichen Wortes wie hier dreimal „tam“ mit Adjektiv. Überdies liegt in „nemo“.. „minus“ rhetorisch die beliebte Litotes vor, d.h. eine doppelte Verneinung statt eines unschönen Superlativs mit der Hervorhebung, dass Abendroth als einziger in nicht geziertem Stil schreibe.

Des weiteren hat man die Abweichung von der Standard-Wortstellung (usuelle Wortstellung) des lateinischen Satzes, an dessen Anfang das Subjekt und am Ende das Prädikat zu stehen hat, gegenüber der okkasionellen Wortstellung in ihrem Aussagewert zu analysieren. Auf jeden Fall ist eine Abweichung zunächst eine Hervorhebung.

Welches ist der Stellenwert dieses „ornatus“ im System der Rhetorik? Wurms lateinischer Erinnerungstext auf Abendroth ist da, wo nicht die historische Vita strukturell durchscheint, mit der Festrede (genus demonstrativum) verwandt. Deren traditionelle Teile Einleitung (exordium), Schilderung (narratio), Argumentation (propositio), Beweisführung (argumentatio) und das Schlusswort (peroratio) sind aus der Gerichtsrede übernommen, bei der dieser strikte Ablauf sich eine effektivere Überredung (persuasio) verspricht. Das ist in unserem Falle nicht das Ziel der Schrift. Wurm geht in seiner Gliederung von linearen chronologischen Gegebenheiten aus und hält sich nur punktuell an das traditionelle Ablaufschema.

Die Stilqualitäten, mit denen wir beschäftigt sind, entfalten sich auf der Ebene der Syntax. Der Redeschmuck, sofern er nicht zu reinem Ornament degradiert ist, soll dabei durchaus auch dem Vergnügen (delectatio) des Zuhörers dienen, einen möglichen Überdruss (taedium) abwehren und als eine Art Verfremdung sogar einen psychagogischen Zweck beinhalten.[33] In der klassischen Rhetorik hat ein guter Redner dabei Klarheit und Angemessenheit anzustreben.

Im Blick auf den Stil Wurms geht es nicht um den Nachweis des „ornatus“: er liegt mit den oben erwähnten dominanten Stilfiguren überall vor und hat seine sprachlichen Wurzeln in seinem an Cicero geschulten Latein. Diese hochstilisierte Kunstprosa verwendet - für den Normalleser unmerklich – zuweilen subtil auch so genannte „Klauseln“, d.h. rhythmisierte Satzausgänge.

Das kommt in unserem Text dann vor, wenn das Prädikat nicht usuell direkt am Paragraphen- oder am Kapitelende steht, sondern ein anderes Wort es beschließt. Ein verdeutlichendes Beispiel gibt das Ende von Kapitel II:

Wurm schreibt

„.. habenas quam minime sentiret immutatas.“

[damit man möglichst wenig spürte, dass die Zügel unverändert blieben]

statt in der usuellen Wortstellung:

„.. habenas quam minime immutatas sentiret“.

Eine „Doppelspondäus“ genannte Klausel betont in dem Endwort „immutatas“ die drittvorletzte der vier langen Silben. Zum einen hebt diese Endstellung den Zustand „unveränderte“ (Zügel) hervor, die in der Hand des Nachfolgers in Ritzebüttel lägen. Die Klausel poetisiert das Bild der Zügel: die langen Silben geben wieder, dass die Zügel gestrafft gehalten werden.

Aber die Vertauschung zweier Wörter am Satzende kann auch eine Art Mechanismus sein wie auf der S. XII „possit impediri“, wo das Hilfsverb „possit“ als letztes Wort etwas blass wäre. Die rhythmische Umkehrung ergibt einen Ditrochäus wie am Ende von S. XIV.

Der „ornatus“ Wurms verwendet demnach an Einschnitten zuweilen Prosa-Klauseln, d.h. rhythmisch bewusste und manchmal feierlich retardierende Abschlussfiguren.

Inhaltlich relevanter und deshalb besonders untersuchenswert erscheinen uns direkte und indirekte Zitate (Exempla).

Sie gehören eigentlich zur oben erwähnten klassischen „argumentatio“ und haben die Funktion, aus umfangreicheren markanten Beispielen weitere Argumente für die Beweisführung zu entwickeln. Durch sie werden Parallelen aufgetan, die, stammen sie etwa aus einem früheren exemplarischen Kontext, einen Sachverhalt verdeutlichen, aufwerten oder historisieren können.

Ehe wir auf namentlich angezeigte sowie auf versteckte Zitationen eingehen, lässt sich grundsätzlich zunächst fragen, ob nicht Wurms ganze Memoria wegen ihrer lateinischen Fassung ein Zitat aus einem kulturell-historischen Kontext darstellt, im modernen Sinne demnach eine große Metapher abgibt, die sich aus der Tradition der Nekrologe herleitet.

Zwei zeitlich getrennte sprachlich-bildliche Bereiche überschneiden sich dabei, werden miteinander verglichen und nach Parallelen abgesucht, um die Vita Abendroths durch die sprachlich-literarische Antikisierung zu markieren. Das wäre eine grundsätzliche Funktion metaphorischen Denkens. Der Ornatus-Gedanke stuft diesen umfassenden Anspruch allerdings herab, wenn er nicht in wesentliche Aussagen eingebunden ist.

Die politische Terminologie der Erinnerungsschrift zeigt ein Missverhältnis zwischen metaphorischer Anlehnung und der deutschen Entsprechung an. Dem lateinischen Text ist zu entnehmen, dass „viri consulares“ die Stadt Hamburg regieren, also Konsule als Bürgermeister, für die es kein entsprechendes lateinische klassisches Wort gibt. Etwas später (auf der Seite XIX) überträgt Wurm Termini der römischen Ämterhierarchie: „ad summum honoris gradum“ (bis zum höchsten Grad der Ehrenämter, d.h. der Konsulwürde). Der römische „senatus“ trägt die gleiche Bezeichnung in Hamburg, hat jedoch eine gänzlich andere Funktion. Als „praefectus“ stand Abendroth der Polizei vor mit dem Titel eines römischen vorgesetzten Befehlshabers, dessen Amtsbereich immer mit einem Zusatz definiert wurde („praefectus militum“ z.B.). Andere Begriffsadaptationen weiß man deswegen auch zuweilen nicht adäquat zu übersetzen, obwohl Wurm einem bei der Begriffsbildung zu Hilfe kommt. In den lateinischen Einleitungen seiner Anmerkungen - die wir ins Deutsche übersetzt haben -, fasst er jeweils kurz die nachfolgenden deutschen Zitate zusammen. So erfährt man z.B., dass die antike kaiserliche Schutzgarde („praetorii“) die Hamburger Bürgergarde geworden ist.[34]

Diese terminologischen Entlehnungen waren durch die Nekrologe tradiert und den zeitgenössischen Lesern in der Bedeutungsmodifikation geläufig. Dass der „Imperator“ am Ende von Kapitel II niemand anderes als Napoleon sein musste, lag auf der Hand. Wer sich dort hinter „Augusta“ verbirgt, erschließt sich erst nach einem Umweg über Tacitus, der die römische Kaiserin Livia, die Frau des Augustus, mit dem Femininum seines Namens so bezeichnete. Auch der Titel des Kaisersohnes „Princeps Iuventutis“ (etwa:“Vornehmster unter der Jugend“, S.VI) stammt aus Tacitus.

Orts- und Stammesnamen wirken auf Latein archaisierend und sogar ungenau wie die „Francogalli“ für die Franzosen, „Borussia“ für Westfalen unter König „Hieronymus“, der auf Französisch „Jérôme“ heißt. Immerhin sind die Zeitangaben christlich und nicht seit der Gründung der Stadt Rom gezählt.

Drei griechische Zitate weisen auf noch tiefere Wurzeln.

Der französische Innerminister Montalivet, der Abendroth beim Hofzeremoniell zu Napoleon geleitet, wird von Wurm als „mysagogos“ [Umschrift] bezeichnet. Das ist zunächst ein fehlerhaftes Wort, das entweder auf den Musenführer Apollon verweist (aber als „musegetes“) oder wohl eher einen Führer in die Mysterien („mystagogos“) meint. Sollte es kein Druckfehler sein und sich aus „mys“ und „agogos“ zusammensetzen, hätten wir eine heftige Kritik durch die Verballhornung: „μυς“ heißt „Maus“, abgeleitet vom Verb „rauben“, und würde soviel bedeuten wie „Anführer der Parasiten“, vergleichbar einem „Rattenfänger“.

In seiner Anmerkung 48 fügt Wurm dem Bremer Bürgermeister Smidt das Epitheton „ó πάνυ“, wörtlich „der ausgezeichnete“, anerkennend hinzu, das im klassischen Griechenland dem großen Perikles gebührte und hier sicherlich anerkennend gemeint ist.

Eine dritte Stelle scheint die einzige Kritik an Abendroth zu bemänteln. Der zurückgekehrte Präfekt ist wegen seiner Verflechtung in alle öffentlichen Funktionen der Stadt laut Wurm von Kritikern zu Unrecht mit der barbarisch verdorbenen Bezeichnung „in similitudinem της πολιτειας“ belegt worden (S. XVII). Diese Bezeichnung ist „als Abklatsch von Staat/Staatsverwaltung“ aufzufassen. Die Formulierung ist auf Anhieb kaum verständlich. Der zitierte griechische Titel der Staatsschrift des Aristoteles oder auf Latein Ciceros „De re publica“ verweist auf die gerade von Abendroth immer eingeforderte Gewaltentrennung, die er nun selber zu verletzen schien. Die Ansprüche an Demokratie hatten sich nach Ende der französischen Besatzungszeit verändert.

Gleich zu Beginn des zweiten Kapitel entwickelt sich assoziativ aus einem Stichwort „vicit“ das einzige typographisch eingerückte Vergil-Zitat in Bezug auf der deutsche Reaktion angesichts des Waffenstillstandes, den Napoleon mit Österreich schloss:

vicit amor patriae et laudum generosa cupido.

Vergleicht man dies mit der Quelle Aeneis VI, 823, muss man feststellen, dass Wurm nicht genau zitiert, obwohl der Hexameter dadurch nicht korrumpiert wird. Das mag humanistisches Bildungsgehabe sein, wo eine vage Anspielung auf ein Zitat dem Kenner reicht, oder eine Einladung, sich des Originals zu versichern, um die Abweichung deuten zu können. Der Vers steht in den großen Voraussagen zur römischen Geschichte, die Aneas in der Unterwelt von seinem Vater erhält:

vincet amor patriae laudumque immensa cupido.

Wurm ersetzte „immensa“ (maßlos) durch „generosa“ (edelmütig), was immerhin das Gegenteil bedeutet. Prophezeit wird in den Kämpfen der römischen Frühgeschichte der Durchsetzungswille der Römer. Wurm machte überdies aus dem Futur von „vincet“ ein perfektisches „vicit“. Mit dieser Veränderung im Tempus erfüllte er gewissermaßen diese Voraussage für die Deutschen. Er passte dieses Zitat an seinen Kontext an.

C. F. Wurm, so lässt sich auf mehreren Ebenen feststellen, geht in sehr lebendiger Weise mit dieser „toten“ Sprache der Nekrologe um. Auch für die kleineren Entlehnungen von Redewendungen z.B. ließe sich dies nachweisen: der antike Bildungskanon ist ganz im Sinne eines „ornate dicere“ mit Horaz, Livius, Persius, Ovid, Juvenal u.a.m. latent ebenso vorhanden wie expressis verbis in den Bezugnahmen auf Cicero.

Wie weit man dabei im Lob Wurmscher Brillanz gehen darf, wird durch einen Vergleich des Polizeipräfekten Abendroth als Gegenstand populärer Erzählungen („fabulae“, S. XVIII) mit den byzantinischen Erzählungen Luitprands von Cremona aus dem 10. Jahrhundert wierum problematisch. Nicht vom Kaiser Leo - so Wurm -, sondern von Nicephor handelten diese. Allerdings wird die Parallele auch von ihm selbst schon als recht vage bezeichnet, da passt es vielleicht, dass nicht einmal der Name stimmt - oder reichten die damaligen Quellen für eine exakte Benennung nicht aus?

Ein Schlüsselzitat, das den Autor Marcus Tullius Cicero mit seinem Gentilnamen Tullius aufführt, steht am Ausgang des vierten der fünf großen Kapitel des lateinischen Textes. Hier ist die Anlehnung vielschichtig, da es im Text auch um die zentrale Tugend der „auctoritas“ geht. Strukturell ließe sich hier nach dem Tragödienschema ein Akt-Schluss konstruieren, bei dem kurz vor der Peripetie alles in der Schwebe ist, ehe die Auflösung im fünften und letzten Akt erfolgt..

Wurm schildert im vierten Kapitel die politisch angespannte Situation des Frühjahrs 1814 in und vor dem belagerten Hamburg, das ohne öffentliche Ordnung im Chaos der marodierenden französischen Besatzung zu versinken drohte. Eine Anzahl von renommierten Bürgern beschloss, eine wie auch immer beschaffene Macht in die Hände Abendroths zurückzugeben, um einen Bürgerausschuss zu konstituieren. Abendroth, der sich schon in Ritzebüttel aufhielt, müsse, da er als einziger noch über eine öffentliche Amtsfunktion verfüge, nunmehr etwas zur Wiederherstellung der Ordnung unternehmen. Auch die verbündeten Alliierten forderten dies und würden den Amtmann und ehemaligen Senator auf Grund seiner integren Autorität akzeptieren. Abendroth zögerte bescheiden und unsicher, bis er, so in der Formulierung Wurms, begriff, dass die Bürgerschaft jenes Cicerozitat ihm zuzurufen scheine:

Ipse tibi sis Senatus: quocunque te ratio rei publicae ducat, sequare.

(Du sei dir selber der Senat: wohin auch immer das Interesse des Staates dich führen mag, folge ihm.)

Abendroth begab sich zum Kommandanten der Belagerer, Benningsen, der ihn so empfingt, als wäre er noch oder schon mit der Autorität des Senates ausgestattet. Er wurde von allen als der Autor der Wiederherstellung der Republik Hamburg angesehen.

Untersucht man das Cicero-Zitat in seinem Zusammenhang, dann wird deutlich, dass dies rhetorische Exemplum sowohl die kritische Situation zuspitzte als auch die Autorität des Amtträgers erheblich steigerte.

Das Zitat bezieht sich nicht auf den Politiker und Konsul Cicero, wie man annehmen könnte, der sich selber während seiner Entscheidung gegen Catilina Mut und Recht zuspricht. Abendroth ist nicht pauschal vergleichbar mit Cicero, dem Retter des Staates. Das wäre wohl zu hoch gegriffen für eine lokale Tragödie. Wurm bewahrt hier die Angemessenheit.

Es handelt sich um ein Zitat aus Ciceros Briefen Ad familiares vom Juni 44 vor Christus (X,16). Der Adressat ist der für das Jahr 42 designierte Konsul Lucius Munatius Plancus, dem Cicero ermutigende Ratschläge gibt in der sich auf Antonius und Oktavian polarisierenden bürgerkriegsähnlichen Situation nach Cäsears Ermordung. Ein Brief des Plancus an den Senat war zu den uneinigen Senatoren trotz des persönlichen Einschreitens von Cicero nicht durchgedrungen. Cicero verleiht Plancus in Vorwegnahme seines künftigen Amtes, für das er schon gewählt war, eine senatorische Vollmacht um des Staatsinteresses willen. Wurm verstärkt dabei das ciceronische Futur „ducet“ durch einen Konjunktiv der Aufforderung, „ducat“. Cicero als Ratgeber und Plancus als der verantwortungsbewusst allein Handelnde werden als Gewährsmänner herangezogen, um in der damaligen Situation Abendroths dessen Entscheidungsprozess zu beschleunigen und sein Vorgehen verfassungsmäßig durch das Staatsinteresse zu legitimieren.

Aber es ist Rhetorik. Niemand hat Abendroth 1814 so angesprochen. Die rhetorische Fiktion will 1852 das Handeln Abendroths nur in eine exemplarische Reihe stellen. In memoriam.

4. Schlussbemerkung

C. F. Wurms Memoria illustriert in konzentrierter Weise die Autorität Abendroths, die er mit zunehmender öffentlicher Verantwortung in äußerst kritischen Situationen seiner Vaterstadt erwarb, indem er sich einsetzte, um dieser zu dienen und sie zu retten.

Sein Engagement war im Handeln und im Konzept politisch philanthropisch in einer Zeit, in der die Armeen Europa veränderten. Die Größe, zu der ihn Wurm stilisiert, entspricht dabei dessen Vorstellung, mit der er sich auch nach dem Hamburger Brand auf Abendroth beruft, dass in Notzeiten die entsprechenden Vollmachten in die Hand eines Einzelnen gehörten. Dies ist nicht die Rechtfertigung für totalitäres Handeln, sondern für ein eingebundenes Wirken im Einklang mit dem Volkswillen. Dass Wurm 1852 an Abendroth erinnerte, war eine Botschaft an die hanseatischen Zeitgenossen und eine Mahnung an den reformunwilligen Senat. Die Verwendung der tradierten Form eines Hamburger Nekrologs bot Gelegenheit, mit dieser pointiert unkonventionell umzugehen. Die Anmerkungen machen die Memoria zu einem historischen Traktat. Die lateinische Sprache und die Rhetorik des „ornate dicere“ verschlüsseln manche Aussagen, die nur im Rekurs auf die kulturgeschichtlich komplexe Bildungstradition des Akademischen Gymnasiums facettenreich fortwirken konnten. Die Übersetzung und unser Übersetzungskommentar versuchten, Form und Aussage einander wieder anzunähern, um die Leistung des Hamburger Historikers Christian Friedrich Wurm zugänglicher zu machen.

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Grohmann, J.C.A.: Ad pietatem manibus Joannis Gurlitti, amici, collegae, philosophiae et theologiae doctoris, Gymnasii Hamburgensium Academici graecarum et orientalium literarum professoris, Joannei Directoris et professoris, d. 14.Jun. 1827 defuncti publice declarandam. Hamburg (Meissner) 1829.

Gurlittus, Joannis: Narratio de Vita Petri Henrici Christopheri Brodhagenii, Mathematum Professoris Publici in Gymnasio Hamburgensium illustri, publice scripta. Hamburg (T.F.Schniebesius) 1806.

Gurlittus, Joannis: Narratio de Vita Hermanni Doormanni, Juris utriusque doctoris et syndicorum civitatis Hamburgensis olim senioris. Hamburg (Meissner) 1826.

Gurlittus, Joannis: Vita Frederici a Graffen, […]. Hamburg (Meissner) 1824.

Hipp, Carolus Fredericus: Narratio des vita Joannis Mauritii Henrici Gericke, […]. Hamburg (Meissner) 1829.

Krabbe, Otto: Memoriam Jacobi Albrechti de Sienen, Juris utriusque doctoris, magnifici nuper Protosyndici civitatis Hamburgensis. Hamburg (Meissner) 1838.

Nölting, Johannis Henricus Vicentius: Vita viri magnifici amplissimi excellentissimi Francisci Antonii Wageneri .../ Hamburg (Schniebes) 1801.

Nölting, Johannis Henricus Vincentius: Vita viri magnifici amplissimi excellentissimi Iacobi Albrechti von Sienen […]. Hamburg (Meyn) [1800].

Lehmann, Joannes Georgius Christianus: Memoriam viri amplissimi Martini Hieronymi Schrötteringk, Iuris utriusque doctoris magnifici nuper consulis Civitatis Hamburgensis. Hamburg (Meissner) 1837.

Redslob, Gustavus Mauritius: Memoriam viri amplissimi Davidis Schlüter, Juris utriusque doctoris in civitate Hamburgensi nuper Consulis magnifici. Hamburg (Meissner) 1847.

Redslob, Gustavus Mauritius: Memoriam viri magnifici Johannis Henrici Bartels, Juris utriusque doctoris, rei publicae Hamburgensis nuper Consulis. Hamburg (Meissner) 1853.

Reimarus, Johannis Albertus Henricus: De vita sua commentarius... Additae sunt de vita Hermmani Samuelis Reimari narrationes J.G.Büschii et C.A.Klotzii. Hamburg (Campe) 1815.

Wurm, C.F.: Memoriam viri consularis Amandi Augusti Abendroth, Juris utriusque licentiatus. Hamburg (Meissner) 1852.



[1] Dieses Amt war seit 1828 vakant gewesen. Wurm hatte zu Gunsten Hamburgs 1832 eine Anglistik-Professur in Tübingen abgelehnt. Um das Angebotsspektrum des Akademischen Gymnasiums und die Hierarchie von Fächern und Dozenten zu illustrieren, hier ein späteres Vorlesungsverzeichnis für das Sommer- und Wintersemester 1855/56 (vgl. Wiebel 1855, S. 58 ff.). Als hauptamtliche Professoren werden aufgeführt: K.W.M. Wiebel (Physik u. Chemie), J.G.C. Lehmann (Botanik u. Biologie), C. Petersen ( Sprache und Literatur des Altertums, Pädagogik), C.F. Wurm (Geschichte), Dr. G.M. Redslob (Theologie u. Philosophie, Hebräisch, Arabisch). Andere Dozenten boten Mathematik, deutsche Literatur, französische und englische Sprache und Literatur sowie Medizin an. Öffentlich wurden zweijährige Kurse für Gymnasiasten angeboten, die sich zu Lehrern ausbilden lassen wollten. Die meist einstündigen Vorlesungen fanden montags bis freitags zwischen 8 und 21 Uhr statt. Wurm las außer montags jeweils mittags von 12-13 Uhr zunächst Neuere Geschichte (seit dem Tod Friedrichs des Großen), dann im Winter Mittlere Geschichte (Quellenstudium und historische Kritik). Abendlichen Vorlesungen von 19-20 Uhr hielt er mittwochs und freitags über Allgemeine Geschichte (Weltgeschichte für zukünftige Lehrer), dazu öffentlich donnerstags von 20-21 Uhr „Geschichte der hundert Tage 1815“ (Sommersemester) sowie „England unter den Stuarts und Cromwell“ (Wintersemester).

[2] J Grolle 1992 engt die lokale Geschichtsschreibung auf die Opposition zwischen „Hamburger Partikularismus“ einerseits und allerlei nationalen Tendenzen andererseits ein. Aus der Generation Wurms vertreten bei ihm Ferdinand Beneke und vor allem Gustav Gallois als einzige Nonkonformisten die kritische Zeitgeschichte – wohl deswegen, weil beide jeweils Autoren einer Gesamtgeschichte der Stadt Hamburg sind. Aber gerade Gallois’ Positionen (vgl. ebda , S. 34 ff.) sind ohne die Kritik Wurms an Bartels (s.u.) nicht denkbar. Auch in „Hamburg und seine Historiker“ (vgl. Grolle 1997, S. 35 ff.) verkennt J. Grolle die Ebenbürtigkeit der genannten Historiker sowie ihre Abhängigkeit voneinander. Wieder erscheint Wurm nur als der Herausgeber der Schriften Leonard Wächters (1828/39), obwohl beide seit 1830 an der Börsenhalle politisch mit großer Wirkung in der Öffentlichkeit zu wirken begannen (vgl. dazu auch Grolle: „Geschichte und Zeitgenossenschaft. Leonard Wächters historische Vorlesungen in der Börsenhalle (1830-1832)“. In: ZHG 80, 1994, S. 47-72 ).

[3] Außer Wohlwills posthumer, unvollendeter Biographie von 1918 liegt noch kein aktueller Gesamtüberblick vor. Der Bibliographie bei Schleiden 1859 seien hier zentrale Publikationen Wurms entnommen, die im Haupttext in größerem Zusammenhang direkt oder indirekt wieder auftauchen : „ Pestalozzi’s Letters on Early Education“ (London in 3. Auflage 1851); „Der Sundzoll und dessen Verpflanzung auf deutschen Boden“ (Hamburg 1838); „Zur Geschichte des deutschen Zollvereins“ (Jena 1841); „Kritische Versuche über die öffentlichen Rechtsverhältnisse in Deutschland seit der Mitte des Jahres 1832.“ (Leipzig 1835); „Die Diplomatie, das Parlament und der deutsche Bundesstaat“ (Braunschweig 1849); „Der Opiumkrieg und das Völkerrecht“ (1842); „Geschichtliche Entwicklung der orientalischen Frage“ (1855/57); „Sendschreiben an Lord Palmerston, betr. die Schleswig-Holsteinische Frage“ (anonym 1850 bei Perthes in Hamburg); „Verfassungsskizzen der freien und Hansestädte“ (Hamburg 1841); Abschnitt I, Cap. 11 „Die Presse“ und Abschnitt III „Schulwesen“ [von über 300 Seiten Länge] in dem „Bericht an die Unterzeichner der Petition vom 1. Juni 1842“ (Hamburg 1843), s.sp.

[4] Vgl. K.V. Riedel 1963, bes. S. 114.

[5] C. Petersen bei Schleiden 1859, S. 25. Eine spätere kritischere Einschätzung zitiert Wohlwill 1918, S. 107, Anm. 1, wo Robert von Mohl die „bis an die Grenzen des Erlaubten gehende Lebendigkeit“ Wurms in der Frankfurter Paulskirche bezeugt. „Die Gebärden waren rasch und weit ausgreifend, die Haltung mehr die eines im Freundeskreise Redenden, die Mitteilung unmittelbar und fast zudringlich an den Hörenden gerichtet, die ganze Erscheinung ein Mittelding zwischen dem bequemen Gehenlassen des Unterhausmitgliedes und dem Behaben eines italienischen Volksredners“.

[6] Vgl. Wurm 1855: „ Der europäische Hintergrund der Snitger-Jastram’schen Wirren in Hamburg 1686“, S. 1: „Dänemark war bemüht gewesen, in der Stadt eine Partei zu bilden, oder vielmehr diejenige Partei für sich zu gewinnen, welche das Panier der bürgerlichen Freiheit emporhielt. Die beiden Volksführer .. trauten den Vorspiegelungen eines diplomatischen Agenten,..“ Wurm untersuchte, „wie Dänemark hoffen konnte, trotz jener Eifersucht der Nachbarn, der Beute Meister zu werden“. Dazu zog er damals neu zugängliche Wolfenbüttler Quellen heran, die er auch Gallois anbot, der sie aber wegen seiner schon im Druck befindlichen Geschichte nicht mehr nutzen konnte.- Wurm hatte sich nach der Abendroth-Memoria auch mit den Lübecker sozialen Turbulenzen des 16.Jahrhunderts und der Person Jürgen Wullenwevers beschäftigt, s. Vorlesungsprogramm Ostern 1854. Zu dieser Problematik bei Gustav Gallois vgl. Grolle 1997, S. 70 ff.

[7] Vgl. Grolle 1997, S. 36-52.

[8] Ebda., S. 49.

[9] 1843 erschien „An Hamburgs Bürger und Die vom Gebiete“ unter dem Pseudonym Jastram Snitger, hinter dem sich G.P.J. Werner verbarg, auf dessen Forderungen nach Reformen der Senat mit einschüchternden polizeilichen Maßnahmen gegen die Schrift, d.h. mit der Verhaftung und Verurteilung des Verfassers reagierte, vgl. Winter 1992, S. 55 f. nach Gallois.

[10] Anonym erschien in Anlehnung an Abendroths Titel „Hoffnungen, Wünsche und Vorschläge an Hamburgs Senat und Bürgerschaft nach dem großen Brande vom 5ten bis zum 8ten Mai 1842“. Diese Wünsche gipfelten in einer Attacke gegen die Zensur auf S. 14: „So möge denn auch jetzt aus den eingeäscherten Trümmern, nicht nur ein steinernes, sondern auch ein neues geistiges Hamburg erstehen. Wie einst vor achtundzwanzig Jahren, zugleich mit den Fesseln der französischen Despotie, viele innere Mängel und Missbräuche ihre Erledigung erlangten, wie damals wackere Vaterlandsfreunde ihre Stimme in Angelegenheiten der neu entstehenden Stadt und zum Wohl derselben vernehmen ließen und namentlich der damalige Frühling, die von dem hochgeachteten Bürgermeister Abendroth in Kiel geschriebenen „Wünsche bei Hamburgs Wiedergeburt“, begrüßte, so möge auch jetzt die Censurbehörde die so eben erwähnten Worte Webers [d.h. ein freimütiger Schriftsteller müsse seine Überzeugung gegen Unrecht von Richtern und Gewalthabern verfolgen] als Norm und Maßstab bei öffentlicher Besprechung der inneren Angelegenheiten gelten lassen, ..“

Das Abendroth-Zitat und die vielen Hinweise auf das Brockhaus-Lexikon sprechen für Wurm als Autor, vor allem aber auchdie Tatsache, dass seine beiden Schriften nach dem Brand 1842 keinen Presse-Passus enthalten, er dann aber in der Commission der Presse-Spezialist wurde.

[11] Wurm 1842, S. 1; 3 u. 4.

[12] Ebda.., S. 7.

[13] Vgl. ebda., S. 9 ff.;13 f.

[14] Vgl. Wurm 1842 „Zugabe“, S. 1; die folgenden Zitate sind von S. 4.

[15] S.o Anm. 10.

[16] Vgl. den Commissions-Bericht 1843. Die unterschiedlichen Datierungen gehen darauf zurück, dass die Petition am 1. Juni 1842 verabschiedet, am 8. Juni eingereicht, aber nicht angenommen wurde. Die Gesellschaft reichte sie am 22. Juni erneut ein. Die Commission tagte vom Oktober 1842 bis März 1843. Die Vorschläge Wurms zur Bildungsreform sahen z.B. eine Zentralbehörde, ein Lehrerseminar, Einrichtung von Gewerbeschulen sowie die Einführung von Turnen und Kunst vor.

[17] Vgl. Winter 1992, S. 47 ff. und zu der Auseinandersetzung mit dem Senat besonders S. 51 ff.

[18] Vgl. zu den einzelnen Phasen ausführlich Gallois 1866.

[19] Vgl. Wohlwill 1918, S. 70-97.

[20] Vgl. C .F. Wurm: „Censur in inneren Angelegenheiten. Die Entscheidungs-Deputation. Berichte, abgestattet vom juristischen Verein, Febr. 17. und im December 1847“, Hamburger Blätter 1847. Siehe auch unsere Anm. 11.

[21] Vgl. Patriotische Gesellschaft Hamburg 1930, S. 41-48 die Rede in Kurzform sowie zum Hintergrund der Frankfurter Zeit Wurms A. Wohlwill 1918, S. 104 ff.

[22] Vgl. die einzelnen Etappen bei Reincke 1926, S. 231 ff.

[23] Vgl. z.B. Johannes Riemer (1648-1714): Lustige Rhetorica Oder Kurtzweiliger Redner/In welchen Ein gantz neuer Weg Zur Rede-Kunst Jedoch mit lauter Verwunder- und Lächerlichen Gleichwol aber Wahren Exempeln/Reden und Complimenten Zur Belustigung und Verstand Der ganzen ORATORIA Auch ernsthaffte Reden dadurch zu imitiren Gewiesen wird. Merseburg 1681. S. dort im 2. Teil die Kapitel I „Von Trauer-Komplimenten“ und II „Leich-Abdanckungen“. Vgl. ebenfalls J. Riemer: Standes- Rhetorica Oder Vollkommener Hoff-und Regenten-Redner [...]. Leipzig 1685.

[24] So Sillem in seinem Testament, vgl. Beiheft zur Einspielung M. Schneiders mit La Stagione, Cpo. Köln 1993, s.u.. Vgl. allg. das Werkverzeichnis TVWV 04:1 ff. (auf L. Becceler, G. Schröder, H.D.Wiese, H.J.Faber, G. Sillem, D. Stockfleth, R. Rulant und N. Stampeel) . Vgl. hier TVWV 4:6: Letzter Schwanengesang Bey der Beerdigung Des weyland MAGNIFICI, Hoch-Edlen, Hoch-Weisen und Hoch-Gelahrten Herrn, Herrn Garlieb Sillem, J.U.L. und Hochverdienten ältesten Bürgermeisters der REPUBLIQUE Hamburg, am 5. Januar 1733 in der Kirchen zu St. PETRI Von dem Wohlseeligen Herrn vor seinem Tode selbst angestimmt und in die Musique gesetzt von Georg Phil. Telemann. – Von den Trauermusiken auf gekrönte Häupter sei hier nur TVWV 4:7, die „Serenata Eroica“, auf Friedrich August II, König von Polen mit einem Text von J.J.D. Zimmermann (1733) hervorgehoben.

[25] Vgl. zu den Klageliedern Carmina Burana Nr. 97 bis 131, die J.A.Schmeller nach dem Fund des Codex Buranus 1847 zuerst edierte. Vgl. als Grundlage zur „Legenda aurea“ B. Fleith/F. Morenzoni (Hg.): De la sainteté à l’hagiographie. Genèse et usage de la « Légende dorée ». Etudes réunies du Colloque « Lire, écouter et voir la Légende dorée au Moyen Age ». Genf 2001.

[26] Vgl. Maria Fürstenwald: Andreas Gryphius „Dissertationes funebres“. Studien zur Didaktik der Leichabdankungen. Bonn 1967 sowie J.A.Steiger 1990. Vgl. derselbe (Hg.): Johann Gerhard. Sämtliche Leichenpredigten. Stuttgart 2001.

[27] Von den insgesamt 12 Reden (z.B.: auf den französischen Kanzler Michel Le Tellier, 1686) betrafen sieben auch Frauen: Anne d’Autriche (1667), Henriette Marie de France, Königin von England (1669) oder Marie-Thérèse d’Auriche, Königin von Frankreich und Navarra (1683).

[28] Vgl. dagegen Rudolf Lenz: Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

Sigmaringen 2001. Vgl. immer noch R. Lenz 1881 und derselbe (Hg.): Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften. Marburger Personalschriften Symposion. Stuttgart 2004.

[29] Vgl. Gurlitt 1826, S. 3 und S. 52.

[30] Vgl. Gurlitt S. 59 f.

[31] Vgl. dazu Bollnow 1958, bes. S. 24 ff. u. 185 ff.

[32] Vgl. allg. H. Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik. München 1979. -

Abendroth, vgl. bes. Anm. 53, schließt durchaus gern Sätze mit Latinismen ab: „abolirt“, „expectorirt“, „ proponirt“ im Sinne einer Klimax, wenn Leser wie hier der Buchhändler Perthes ihrer für kundig erachtet werden. Natürlich ließe sich auch fragen, ob nach Jahren des Umgangs mit der Amtsprache Französisch nicht eine französische Vokabel den Fremdwörtern bei Abendroth zugrunde liegt. Ganz deutlich unterscheidet sich der Stil seiner Texte in Bezug auf den jeweiligen Adressaten. Perthes erfährt ziemlich komplexe gnomische Überlegungen zum Recht des Bürgers und wird Zeuge einer zugespitzten persönlichen Meinung.

Andererseits arbeitet Abendroth an öffentlichen Mitteilungen mehrfach, vgl. Wurms Anm. 52 nach der Befreiung: hier dominiert hausbackene Juristerei als Basis öffentlichen Denkens, das empfängermodifiziert ausformuliert, d.h. von den Kernideen aus erweitert wird. Das Sprachbewusstsein Abendroths ist insgesamt sehr differenziert.

Über seine Skrupel, Französisch zu schreiben, informiert er in der Anm. 54:

Abendroth an Perthes (Ritzebüttel, den 29. Oktober 1814):“ - Ich habe die Idee, mein lieber P., eine Antwort auf Davoust’s Mémoire drucken zu lassen, welche sich besonders durch eine Menge Anlagen auszeichnen und desswegen nicht unmerkwürdig sein wird. Es muss deutsch und französisch gedruckt werden. --- Ich schreibe und spreche ein Französisch, soweit man’s im gemeinen Leben gebraucht, getraue mir aber nicht Etwas zu schreiben, was gedruckt werden kann, ich möchte Sie daher bitten, das Manuscript übersetzen und vor dem Druck mir die Uebersetzung zukommen zu lassen“.

[33] Vgl. [nach wie vor am übersichtlichsten] Hildebrecht Hommel, „Rhetorik“, in: Lexikon der alten Welt. Zürich 1965.

[34] Vgl. Anm. Wurm 47.

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